Zum Inhalt

Zuhören – eine Kunst, Mein Weg

Was passiert mit dir, nachdem du den Lärm der Stadt hinter dir gelassen hast? Welche Veränderung findet in dir statt? Für mich war es bemerkenswert, wie schnell sich meine Wahrnehmung der Umwelt und der Menschen, die ich traf, geändert hat. Meine Filter, die sich über lange Zeit entwickelt hatten, lösten sich auf. Die Schutzmauern, die mich vor einem Sinnes-Overflow beschützten, bröckelten und brachen in sich zusammen.

Ich lade Sie, ich lade Dich, ein mir weiter auf einer sehr persönlichen Reise zu folgen. Auf meinem Weg.

Zuhören – eine Kunst

In meinem dritten Artikel in der Reihe: Mein Weg, Pilger sein im täglichen (Arbeits-) Lebenwerde ich mich mit dem Thema Zuhören beschäftigen.

Jeder Tag an dem es einen Schritt weiter Richtung Westen ging war ein Tag voller neuer Eindrücke. Ich lernte wieder alles was mich in dieser Welt umgibt wahrzunehmen. Im täglichen (Arbeits-) Leben beginnt man mit der Errichtung von Barrieren die einen schützen und nur das wesentliche für die zu erledigenden Aufgaben durchlassen. Zu groß scheint die Menge an Informationen zu sein die an uns herangetragen wird. Deshalb entwickeln wir eben dieses Schutzschild das alles Beeinträchtigende von uns abprallen lassen soll. Woher wissen wir was davon wirklich für uns und andere wesentlich ist?

Schutzschilde brauchen Energie um diese aufrecht zu erhalten. Diese fehlende Energie reduziert wiederum unsere Möglichkeiten sich den wirklich wichtigen und sinnvollem zu widmen. Die Balance zwischen alles wahrzunehmen und dabei einen Sinnes-Overflow zu erleiden und dem Wegschneiden von Eindrücken und dabei das Wesentliche zu versäumen ist eine Kunst. Diese kann von jedem Menschen gelernt werden.

Zuhören ist eine Kunst!

Beginnen werde ich mit der Wahrnehmung, die uns aktives Zuhören ermöglicht und abschließen möchte ich mit dem Klang der Welt, dessen was sich durch aktives Zuhören für uns eröffnet.

Wahrnehmung

Sich der Umwelt auszusetzen und jeden Tag zu gehen, verändert etwas in einem Selbst. Bei mir war es ein schleichender Prozess der allmählich meine Sinne schärfte und die von mir errichteten Schutzschilde und Filter aufhob. Meine Wahrnehmung gegenüber der Welt war im Begriff sich zu ändern.

Ohren

Beim (Zu-) Hören verlassen wir uns auf die Reize, die durch unserer Ohren aufgenommen werden. Diese Reize werden dann in Impulse umgewandelt. Diese werden von unserem Gehirn interpretiert. Dabei hören wir aber nur einen Teil dessen was uns umgibt. Wir filtern unbewusst den Großteil dessen was wir hören und für uns keine Information zu bieten scheint oder uns einfach überfordern würde. Welche Art der Information nun für uns wichtig ist entscheidet sich in uns aufgrund unserer Erfahrungen, die uns von unserem Umfeld gelehrt wurde.

Das ist auch wichtig. Wir könnten sonst nur schwer in unserem täglichen (Arbeits-) Leben bestehen. Da die schiere Menge an Geräuschen und Tönen uns überfordern würde.

Für mich war das eine Erfahrung die ich während und nach dem Jakobsweg in mir selbst erleben durfte. In jeder Stadt, die ich durchquerte und nach dem Nachhause kommen nach Wien, war es einfach nur laut und das stresste mich enorm. Ich habe am Jakobsweg meine Filter hinter mir gelassen. In der U-Bahn jedes Gespräch zu hören und den Inhalt wahrzunehmen ist ein Overflow, wie sich jeder vorstellen kann. Es dauerte Wochen, bis sich meine Filter wieder darüberlegten und die Normalität des Stadtlebens wieder zurückkehrte. Was zurück blieb ist die Erfahrung, ohne diese Filter leben zu können. Zu wissen, dass es auch möglich ist diese zu deaktivieren und der Umwelt zuzuhören. Alles zu hören und damit alles wahrzunehmen.

Die Sinneswahrnehmungen, die beim Zuhören zum Einsatz kommen, sind aber nicht nur auf die Reize, die auf unser Trommelfell in unseren Ohren treffen, beschränkt.

Augen

In meinem täglichen (Arbeits-) Leben hatte ich vor allem, alles was sich ca. 70cm vor mir darstellte im Fokus. Ich arbeitete den ganzen Tag mit dem Computer. Mit dem Jakobsweg hat sich das aber komplett verändert. Entweder waren die Augen auf den Horizont gerichtet oder auf die nächsten Meter vor meinen Füßen. Ich sehe sehr gut. Durch die Zeit in der Natur hat sich auch meine Sehweise verändert. Die Farben der Umgebung die plötzlich strahlten, die Wolken am Himmel die unterschiedlicher nicht sein konnten, die Sichtbarkeit der Luft an einem trüben Tag oder am klarsten Morgen nach einer Regennacht, der Kontrast der Oberflächen die nun sichtbare Tiefe, die Zusammensetzung von allem was mich umgibt.

Alles wurde zur Information, die für mich wesentlich wurde, weil ich mich darin bewegte. Vor allem das Zusammenspiel von Ohren und Augen hat sich komplett verändert. Die Fähigkeit, die in uns schlummert, einem Geräusch eine Richtung und einem Ort zuzuweisen und dann den Blick darauf zu richten, kehrte wieder zurück. Es war auch lebensnotwendig. Nicht nur einmal kam es zu einer Situation in der diese wieder gestärkte Fähigkeit mein oder das Leben meines Weggefährten schützte, als Steine von oben auf den Weg stürzten oder ein Auto um die Ecke kam.

Körper

Unter dem Begriff Körper fasse ich alle anderen Sinneswahrnehmungen zusammen. Das Riechen, Schmecken, die Wahrnehmung von Temperatur, Berührung und sei es der Wind auf der Haut, Schmerzen und Schwingungen, die unsere Umwelt durchziehen.

Alle Sinne werden geschärft. Unser Körper ist der Umwelt ausgesetzt und damit allen auf ihn, auf uns, wirkenden Kräften.  Zuhören bedeutet die Fähigkeit alles in Gesamtheit wahrzunehmen. Unsere Sinneswahrnehmungen nicht getrennt zu betrachten. Ein Gesamtbild vor unserem geistigen Auge zu formen, das es uns ermöglicht im Moment zu sein und aktiv zuzuhören.

Raum zwischen Reiz und Reaktion

Was ich in mir selbst beobachtete war eine Entkopplung der Reizwahrnehmung von der Reaktion darauf. Ein Raum, der entstand in dem ich aktiv auf meine Reaktion Einfluss nehmen konnte. Alles begann aber mit der Zeit, in der ich mir selbst zuhörte. Das passierte bereits in den ersten Wochen des Jakobsweg und darüber hinaus.

Viktor Frankl umschreibt diesen Zustand in folgender Aussage wunderbar.

„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“

Viktor Frankl (1905-1997)

Sich selbst zuhören

Alles was ich wahrnahm traf auf das was in mir selbst entstand. Die Wirkung die die Umwelt und andere Menschen auf mich hatten. Die Zeit auf dem Jakobsweg, die man mit sich selbst hat, bewirkt eine Änderung der Gedanken, der Gefühle und wie man damit umgeht. Meine Erfahrungen und Entwicklung in dieser Zeit mit mir selbst, hat mich gelehrt mir selbst zuzuhören.

Gedanken

Viele Gedanken kommen an die Oberfläche, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Ich dachte an so vieles, das mich bewegte und an vieles das ich in meinem täglichen (Arbeits-) Leben hintenangestellt hatte. Ich hatte mir nicht die Zeit genommen mich darauf einzulassen. Die tägliche Routine am Jakobsweg hat sich auch auf meine Gedankenwelt ausgewirkt. Ich ließ mich von meinen Gedanken ein Stück des Weges begleiten. Jeden Tag ein bisschen weniger weit.

Ich hatte gelernt meine Gedanken hinter mir zu lassen. Mit jedem Schritt wurden sie weniger. Diese Gedanken, die in einem hängen bleiben und die man normalerweise lange mit sich herumträgt, wurden durch das Gehen zur Nebensache. Ich hielt sie nicht mehr fest.

Gefühle

Ähnlich ging es mir mit meinen Gefühlen. Die alten, die bereits so lange mitgeschleppten Gefühle, wurden durch neue ersetzt. Jeder Tag war anders. Jeder Tag fühlte sich anders an. Innere Zweifel und innere Ängste wurden durch Mut und Selbstsicherheit ersetzt. Das Gefühl des Vertrauens in die Welt und die Menschen wurde von Tag zu Tag stärker. Empathie für die Welt und die Menschen darin entstand.

Nach einigen Wochen war es bei mir so weit. Ich hatte meinen Jakobsweg Moment, an dem jede Person, die sich auf eine so lange Reise begibt, kommt. Es war am Tag meines Geburtstags und wir waren gerade bei der Überquerung des Arlbergs als meine Gefühlswelt zusammenbrach. Jedes erdenkliche Gefühl kam in mir hoch. Ich war fertig. Doch wurde aus dem Tag einer der schönsten Erinnerungen meines Lebens. Ich war danach bereit Neues in mich aufzunehmen.

Aufnehmen

Wie ist es möglich so viele Eindrücke in sich aufzunehmen? Jeden Tag kam etwas neues Unerwartetes dazu und trotzdem konnte ich damit gut umgehen. Ohne die Filter und Schutzschilde ist man der Umwelt schutzlos ausgesetzt. Das heißt man nimmt alles in sich auf. Das ist etwas Wunderbares. Ich hätte mir, vor der Erfahrung des Jakobswegs nicht gedacht, dass man so leben kann. Doch was war passiert?

Ich glaube es hat etwas mit meiner inneren Einstellung zu tun, die durch das Gehen noch verstärkt wurde. Jeden Tag ging es weiter, jeden Tag haben wir ein Stück zurückgelassen. Auch das was wir aufgenommen hatten und über den Tag mit uns getragen hatten. Wir waren im Hier und Jetzt angekommen. Ich bestimmte was ich für immer mitnahm, was ich verinnerlichte.    

Verinnerlichen

Es gibt Momente, die sich in mir verinnerlichten. Für mich heißt das Erinnerungen festigen und Erfahrungen zuzuordnen. Im Laufe des Jakobsweges gab es einige dieser Momente, die mich für immer begleiten werden. Zum Beispiel mein Geburtstag und den Nachmittag und Abend in der Hütte am Weg die ich verinnerlicht habe. Auch das Leben anderer Menschen und deren Erlebnisse, die sie mir mitgegeben haben, werden mich begleiten. Ich habe das Gehen, das Wahrnehmen als gesamter Mensch und einen neuen Blick auf meine Umwelt in mir abgelegt.

Ich entscheide von nun an was ich für mich behalte und was ich auf dem Weg zurücklasse. Jeden Tag aufs Neue, ohne zurückzugehen. Jeder Tag wirkt aufs Neue auf mich und meinen Weg ein.

Wirken lassen

Was ich für mich, aus dieser Erfahrung, mitgenommen habe ist eine gewisse Gelassenheit. Ich habe entdeckt, dass ich entscheide, wie die Welt um mich auf mich wirkt. Das ich entscheide, wo ich es zulasse, dass diese Wirkung mich beschäftigt und nachdenklich machen darf. Wie lange ich etwas auf mich wirken lasse und wann es Zeit ist, wieder einen Schritt weiterzumachen. Dadurch kommt es zu Momenten der absoluten Stille.

Stille

Hat man alles gedacht, hat man alles gefühlt, hat man es gelernt die Welt durch einen durchfließen zu lassen, ohne in Berührung zu kommen. Dann ist da Stille.

Diese Stille erleben zu können ist ein lebenslanger Prozess. Hat man diesen Moment einmal erlebt, kann man sich die Erinnerung daran zu Nutze machen. Die Erfahrung, die wir in dieser Zeit gemacht haben, ermöglicht es Stille in uns zu spüren auch wenn wir noch kurz davor mit unseren Gedanken und Gefühlen beschäftigt waren, kehrt sie zurück in das Hier und Jetzt.

Diese Stille bedeutet das es möglich ist, frei von eigenen Werten, frei von eigenen Gedanken und frei von allem was auf einen normalerweise wirkt, Anderen zuzuhören.

Anderen zuhören

Sich selbst zu hören ist die Basis dafür Anderen zuzuhören. Erst wenn ich über mich nachgedacht habe und mir meinen Gefühlen bewusst geworden bin kann ich offen sein für ein Gespräch mit Anderen. Erst wenn in mir die Stille eingekehrt ist, oder die Erinnerung an die Erfahrung daran, kann ich vollständig für Andere da sein.

Da sein

Da sein heißt sich mit all seinen Sinnen einem anderen Menschen zur Verfügung zu stellen. Das ist der erste und meiner Meinung nach der wichtigste Schritt auf dem Weg Anderen zuzuhören. Für die andere Person da zu sein heißt auch diese Person als ganzen Menschen wahrzunehmen. Neugierig zu sein und nachzufragen, zu wiederholen was gesagt wurde, zusammenzufassen und wieder und wieder nachzufragen. Ein Interesse in die andere Person zu entwickeln. Mit Spannung dem Gesagten folgen. Da sein für alles was da ist.

Damit das gut und authentisch funktioniert ist es wichtig zu spüren was in der anderen Person im Gespräch vor sich geht.

Spüren

Spürt man den gesamten Mensch, dem man zuhört, nimmt man dessen Gedanken und Gefühle wahr. Spürt man in das Gesagte hinein, bekommt man einen tiefen und ehrlichen Eindruck von den Themen, die diesen Menschen bewegen. Spüren heißt aufnehmen, wirken lassen, verinnerlichen. So wie wir es bei uns selbst erfahren haben.

Man spürt, wann man etwas wiederholen sollte, wann man nachfragen sollte oder wenn es Zeit ist zu Schweigen.

Schweigen

Innehalten, sich nicht zu Äußern und dabei voll bei der anderen Person zu sein. Schweigen ist nach dem Da Sein ein wichtiger Bestandteil des Zuhörens. Auch wenn aktives Zuhören immer auch das Nachfragen und Wiederholen beinhaltet, ist die Zeit in dem man nichts sagt sehr bedeutsam. Es ermöglicht der anderen Person das Gespräch in ihrem eigenen Tempo fortzusetzten.

Schweigen ermöglicht es auch für einen selbst, das Gesagte im vollem Umfang auf sich wirken zu lassen. Auch um sich selbst zu hören und diese Wirkung anzuerkennen, um das Gespräch wertfrei führen zu können.

Wertfrei

Ohne zu werten jemanden zuzuhören ist ein wichtiger Teil des aktiven Zuhörens. Eine Wertung basierend auf eigene Vorstellungen würde das Gespräch in unserer eigene Richtung verzerren. Wertfrei kann ich nur zuhören, wenn ich mich mit meinen eigenen Gedanken, Gefühlen und Werten auseinandergesetzt habe. Wenn ich mich immer wieder frage, kommt die Bewertung von mir oder von der Person, der ich gerade zuhöre. Wertfrei heißt nicht gefühllos.

Auf das Gesagte empathisch zu reagieren und die wahrgenommenen Gefühle zu beschreiben und mitzufühlen gehört zum aktiven Zuhören genauso dazu wie das Hinwenden.

Hinwenden

Hinwenden zu der Person der man zuhört. Sie zu spiegeln, das heißt sich ihr auch körpersprachlich anzupassen, gehört auch zum aktiven Zuhören. Damit eine Beziehung aufzubauen die voll Vertrauen und gegenseitigen Respekt geprägt ist.

Wenn man die oben genannten Dinge berücksichtigt und einmal sich selbst zugehört hat, ist man bereit Anderen wirklich zuzuhören. Offen für die Worte, Gedanken, Gefühle des anderen Menschen zu sein. Diesen in seiner Gesamtheit wahrzunehmen und ihn damit ein Stück seines Weges zu begleiten.

Wir nehmen immer etwas mit, wenn wir anderen Menschen aktiv zuhören. Daher ist es auch wichtig immer wieder sich daran zu erinnern, dass wir wählen können, was wir hinter uns lassen und was wir verinnerlichen möchten und somit ein Teil unseres Selbst werden lassen.

Klang der Welt

Wenn man so lange unter freiem Himmel unterwegs ist, wirkt alles auf einen ein. Ich habe unterwegs meine Barrieren abgebaut. Das Schutzschild der Wahrnehmung demontiert. Ich war dann nicht schutzlos oder gefährdet, im Gegenteil ich durfte dadurch so viel Wunderbares erleben.

Was ich dabei erfahren durfte kann ich nur als den Klang oder die Musik der Welt beschreiben. Diesem Klang zu lauschen, diese Musik zu spüren war ein täglicher Begleiter am Jakobsweg und weit darüber hinaus.

Ich habe gelernt neue Eindrücke auf mich wirken zu lassen und den Umwelten, die mich umgaben, zuzuhören. Ab nun an war ich bereit meine Aufmerksamkeit anderen Menschen zu widmen.

Artikel als PDF downloaden


Gehen Sie den ersten Schritt, um Ihren Zielen zu begegnen.

Gemeinsam erkunden wir in meinem systemischen Business-Coaching Ihre individuellen Lösungswege und Potenziale. Treten Sie selbstbewusst in neue Möglichkeiten ein und erkunden Sie unbekanntes Terrain, gestützt von Ihren neu entdeckten persönlichen Stärken. Auf diese Weise nicht nur Ihre persönliche Entwicklung voran, sondern überraschen Sie auch Ihre Kunden und Mitarbeiter:innen, was unmittelbar zum Erfolg Ihres Unternehmens beiträgt.

Der erste Schritt

Termin vereinbaren

Lassen Sie uns gemeinsam Ihren neuen Weg einschlagen.

Ich freue mich darauf, Sie und Ihr Unternehmen kennenzulernen.

Gedanken teilen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert